Gewalttätige Beziehungen: Eine Interpretation von Büchners ,,Woyzeck”

Ezra Rashkow

 

Gewalt ist das Ausüben von Macht gegenüber Schwächeren. Wie in Natur, jeder Raubtier macht Jagd auf schwächere Tiere. In dem Schauspiel ,,Woyzeck” bei Georg Büchner gibt es Räuber-Beute-Verhältnisse. Der Löwe frißt Gazellen, nicht Elefanten, und in ähnlicher Weise jeder Stärkere in ,,Woyzeck” attackiert die Schwächeren. Gewalt in ,,Woyzeck” nimmt zwei Formen an: Physische und psychische. Der Hauptman und der Doctor beuten Woyzeck aus, weil er der wirtschaftlich Schwächere ist. Der Tambourmajor schlagt Woyzeck voll wissend, daß seine körperliche Fähigkeit besser ist, und am ende des Stückes tötet Woyzeck die hilflose Marie.

In gewisser Hinsicht, ist das ganze Schauspiel ein Kommentar über Gewalt. In der dritten Szene ein Ausrufer vor einer Bude schreit ,,Der Aff ist schon ein Soldat, s’ ist noch nit viel, unterst Stuf von menschliche Geschlecht” (7). Die Soldatsarbeit ist den Krieg zu führen, und sie verursachen Schmerzen und Schaden durch ihre Gewalt. Das schlimmste Ding aber ist, daß Soldaten den Ausweg in der Gewalt suchen, wann immer es am leichsten ist.

            Dennoch, der moralische Punkt in ,,Woyzeck” ist, daß Gewalt mit Macht Hand in Hand geht. Gemeinesoldaten haben es schlecht. Sie sind Angehörige der Unterschicht und werden als charakterschwach betrachtet. Die Gewalt in ,,Woyzeck” kommt nicht durch Kriege, sondern sie existiert wegen der unausgeglichenen Macht Beziehungen zwischen den Menschen. Das Problem für Soldaten in ,,Woyzeck” beruhrt darauf, daß diese wirtschaftlich schwächere Leute sind.

In der füften Szene lastet der Doctor Woyzeck an, daß er keine Moral oder Tugend hat. Zu diese Beleidigung antwortet Woyzeck ,,wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur, aber wenn ich ein Herr wär und hätt ein Hut und eine anglaise und könnt vornehm reden, ich wollt schon tugendhaft seyn. Es muß was Schöns seyn um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl” (11). Der Hauptmann denkt, daß er Woyzeck beleidigen kann, weil Woyzeck ihm untergeordnet ist. Das ist psychologische Gewalt anwendung.

            Der Doctor ist genau so schuldig wie der Hauptmann. Die Gewalt, die er Woyzeck antut, ist unheimlich, aber der Doktor denkt daß er besser als Woyzeck ist. Er sagt ,,ich ärger mich nicht, Äger ist ungesund, ist unwissenschaftlich” (13), aber seine Experimente sind mehr Folter als Wissenschaft. Wegen des Doctorsauftrages darft Woyzeck nur Erbsen essen und muß immer in ein Härfel pissen. Doch ist es nicht leicht, den Sinn dieser Erniedrigung zu erkennen. Dahinter könnte die Absicht stehen, die Wissenschaften zu erfördern. Das wäre ein rationales Ziel, aber es ist offenbar nicht das, was der Doktor wirklich will: Es ist Woyzecks Wesen zu verändern.

            Am Ende der Szene die in Maries Kammer spielt, nachdem Woyzeck die unrechtmäßig erwobenen Ohringe sah, sagt Marie ,,Ich bin doch ein schlecht Mensch. Ich könnt’ mich erstechen. – Ach! Was Welt? Geht doch alles zum Teufel, Mann und Weib” (9). Hier sehen wir noch eine Art von Gewalt- die Androhung von Selbstmord. Marie haßt ihre inneren Schweinehund und ist deshalb voller Selbsthaß.

Leider, obwohl die machtvollen Leute ihre Macht gegenüber Schwächeren ausüben, sind sie oft beliebt und geachtet, weil Leute Vorteile finden wenn sie in ihrer Begleitung sind. Dies ist die Situation zwischen Marie und dem Tambourmajor. Der Tambourmajor gefällt Marie, weil er so stark ist. Marie sagt zu dem Tambourmajor mit Ausdruck ,,Geh’ einmal vor dich hin. - Ueber die Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Löw - So ist keiner - Ich bin stolz vor allen Weibern” (11).

Der Tambourmajor ist ein brutaler Kerl wer einem Streit mit Woyzeck über Marie anfängt nur weil er weiß, daß er ihn zussamenschlagen kann. Wenn der Tambourmajor schreit ,,Ich bin ein Mann!” und sich auf die Brust schlagt, versucht Woyzeck ihn nicht zu beachten. Vollwissend, daß Woyzeck kein Widerstand in sich hat, prügelt er Woyzeck. In der Szene im Wirtshaus Büchner teilt den selben Punkt über das Räuber-Beute-Verhältnis mit, den wir im Anfang des Aufsatzes besprochen haben.

Zusammenfassend, unterliegt jeder in Woyzeck demselben Gesellschaftsdruck. Niemand erntet etwas Gutes von ihrem gewalttätigen Benehmen, aber jeder Stärker jagd den Schwächeren, und am Ende des Stückes schließt sich der Kreis. Woyzeck, der Schwächere, der Unterdruckte, tötet Marie, die einzige die hilfloser als er ist. Büchners Stück ist eine echte Tragödie.